Nimmt man die Wortbedeutung ernst, umschreibt das Mediterrane das, was in der Mitte zwischen den Territorien, dem Festland liegt: Der unbewohnte, nichtkulturalisierte Transferraum, an dessen Rändern, sprich: Küsten, die unterschiedlichsten Räume, Architekturen und Kulturen, angesiedelt sind. Interessanterweise ist in dieser „Mitte“, im Zentrum dieser nach außen nur vage begrenzten, im Inneren aber scharf abgegrenzten politisch-sozialen Räume eigentlich ein Loch, nämlich das Meer. Nur punktuell bewohnt, ist es ansonsten ein Transitraum, eine Mitte, die selber keine Identität für sich einfordert, keine produziert und doch dem Konglomerat an seinen Rändern seinen Namen verleiht.
Diese komplexen Räume mit Kamera und Mikrofon zu ordnen, zu kategorisieren und katalogisieren ist per se ein anmaßendes Unterfangen; selbst eine bewusst subjektive visuelle und klangliche Recherche muss fragmentarisch bleiben. Blickt man vom Meer aufs Land, verliert man sich in der Diversität von Bauwerken und Landschaften. Der Blick vom Land aufs Meer dagegen zeigt ein relativ homogenes und vergleichbares Panorama, eine Horizontlinie zwischen Meer und Himmel, unabhängig davon, an welcher Küste des Mittelmeers man die Kamera nun gerade positioniert hat. In diesem ersten Katalogeintrag steht sie im zweiten Stock auf dem Balkon des Regency Hotel im Touristenort Monastir. Sie zeigt an einem windigen Tag den tunesischen Abschnitt des Mittelmeers, den sich preisbewusste Pauschaltouristen aus Mittel- und Nordeuropa mit jenen Menschen teilen, die sich von der nahen libyschen Küste aus auf den Weg machen, den vermeintlich rettenden Strand der EU-Insel Lampedusa zu erreichen.
Der Großteil der hier unsichtbaren, weil hinter der Kamera gelegenen Hotelzimmer sind an diesem Tag leer. Es ist eine Woche, nachdem am 30. Oktober 2013 auf der Straße gegenüber des Hotels ein Mann gefasst wurde. Wäre es ihm gelungen vor der Verhaftung seinen Sprengstoffgürtel zu zünden, wäre dies der erste Selbstmordanschlag auf tunesischem Boden gewesen.