Städte sind der Brennpunkt wirtschaftlicher, politischer und sozialer Veränderungen. Dass sich das auch in der Transformation von Architektur niederschlagen muss, liegt nahe: Umnutzung, Abriss, Neubau, Adaption, Erweiterung sind nur einige der Strategien, um das Gebaute an gewandelte Interessen und Bedürfnisse anzupassen. Die Frage, an der sich die Auseinandersetzungen entzünden, ist vielmehr, wessen Interessen sich letztlich durchsetzen und mit welchen Mitteln das geschieht. Das Viertel Tarlabasi grenzt unmittelbar an Istanbuls zentralen Taksim-Platz und das touristische Ausgehviertel entlang der Einkaufsmeile Istiklal. In den engen Altbauwohnungen haben sich vor allem Kurden und afrikanische Immigranten niedergelassen. Durch die Restrukturierung des Viertels werden sie es gezwungenermaßen verlassen müssen. Denn die Maxime der Stadtentwickler lautet Abriss und historisierender Neubau im touristischen Hochpreissegment statt behutsamer Restauration von Wohnraum. Und vermutlich werden die Reiseführer auch nach der Restrukturierung noch von der „Faszination der Halbwelt zwischen Prostitution und Kleinkriminalität“ schwärmen. Hinter den Plakatwänden entlang der Dolapdere Caddesi klaffte bei unserem Besuch im Juli 2013 bereits ein tiefes Bauloch. Die symbolische Leere hinter den Fassaden Tarlabasis bildet das Pendant zu der geplanten Rodung der Bäume im benachbarten Gezi-Park.