Als ich im Laufe unserer Recherchen in Beirut den Architekturtheoretiker Robert Saliba auf das Problem des öffentlichen Raums im Libanon ansprach, antwortete er mit einem Kopfschütteln: „Öffentlicher Raum? Das ist ein westliches Konzept. So etwas gibt es hier nicht, denn ‚öffentlicher Raum’ setzt Staatsbürgerschaft voraus, eine im Libanon völlig unbekannte Idee.“ Christliche Maroniten, sunnitische und schiitische Muslime, Falangisten, Hisbollah, syrische oder israelische Besatzer und nicht zuletzt die palästinensischen Flüchtlinge, die mittlerweile in der dritten Generation im Land leben: Einer Gesellschaft, die nicht nur historisch von Fremdherrschaft, sondern im Inneren durch die widersprüchlichsten Interessen der konfessionell, wirtschaftlich und politisch gebundenen Gruppen und Familienclans geprägt ist, fehlt der kleinste gemeinsame Nenner. Es scheint unmöglich, einen Ort zu deklarieren, der der gesamten Öffentlichkeit als Raum für die Verhandlung ihrer konfligierenden Bedürfnisse zur Verfügung stünde. Der Platz der Märtyrer in Beirut hätte ein solcher Ort sein können. 2005 diente er der Zedernrevolution nach dem tödlichen Attentat auf Präsident Rafik Hariri als Versammlungsort, um den Abzug der syrischen Truppen zu fordern. Nach dem Libanonkrieg 2006 errichtete die Hisbollah hier für 18 Monate eine Art Occupy Camp, um die Absetzung der Regierung zu bewirken. Heute wird der bis zum Bürgerkrieg von französischer Kolonialarchitektur beherrschte Platz vor allem als Parkplatz genutzt.