Das architektonische und wirtschaftliche Streben nach dem Turm von Babel hat im 21. Jahrhundert notwendigerweise andere Formen angenommen. Und auch die übergeordnete Instanz, die dem Bauen Einhalt gewährt und seine Erbauer straft, wird man heute eher im global-irdischen Finanzsystem finden als bei überirdischen Kräften. Nicht nur in den USA, wo die Bankenkrise ihren Ausgang nahm, haben sich Bauen und Krise gegenseitig bedingt. Auch und gerade in der europäischen Mittelmeerregion wurde zu viel gebaut, gegen zu wenig abgesicherte Finanzierung. Ein Inselstaat wie Zypern, vom Meer umgeben, ist wirtschaftlich und transporttechnisch eine einzige Randlage. Im globalen Finanzmarkt aber, wo mit vermeintlich Immateriellem gehandelt wird, gibt es keine Randlagen. Wenn zypriotische Banken kollabieren, weil andernorts zu viel gebaut wird, fehlt im eigenen Land letztlich auch das Geld für den Kulturtempel: Das seit 2005 geplante Cyprus Cultural Centre, ein Konzert- und Opernhaus in Nikosia, wird so bald nicht gebaut werden. Die Plakatwand mit dem Entwurf ist zwar schon vergilbt, wird aber noch für einige Jahre den Blick auf die Brache dahinter verdecken müssen.