Religion ist in der Mittelmeerregion nach wie vor eines der wichtigsten Mittel der Aufrechterhaltung von kultureller Identität. Wenn sich Serben im italienischen Triest (#65), Armenier im muslimisch geprägten Istanbul (#67) oder koptische Christen in Kairo (#69) sonntäglich zu ihren Gottesdiensten treffen, ist das auch ein Zeichen von Solidarität gegen etwaige politische Isolierung. Der Völkermord an den Armeniern unter der osmanischen Herrschaft ist von der Türkei nicht nur offiziell nicht anerkannt, sondern ihn als solchen zu bezeichnen steht bis heute unter Strafe; und Angriffe auf koptische Kirchen gehören nicht erst seit der Revolution 2011 zur Realität Ägyptens. Andererseits sind Identitäten glücklicherweise trotz zeitweise starrer Grenzen zwischen Staaten, Konfessionen und Wirtschaftsräumen stets neu bestimmbar. Durch Migration und Internet entstehende, alternative Assoziationen zwischen Menschen mögen auch in Ländern wie Ägypten, Türkei oder Zypern dazu führen, dass in einer Globalisierung „von unten“ die Frage der Identität durch Territorium, Sprache, Ethnie und vermeintlich „wahren Glauben“ an Bedeutung verliert.