Auch politisches und de facto gewalttätiges Verhalten kann geprobt werden und in seiner schier endlosen Wiederholung einen eigenen rituellen Charakter entwickeln: Seit neun Jahren ziehen die Bewohner des palästinensischen Dorfes Bil’in jeden Freitag nach dem Mittagsgebet zur Mauer, welche die jüdische Siedlung Modi’in Illit umgibt, um gegen die Landnahme zu protestieren, ausgerüstet mit Steinschleudern, Gasmasken und der palästinensischen Fahne. Dort werden sie schon erwartet von der gut organisierten Infrastruktur der Soldaten mit Tränengas- und Fäkalwasserkanonen. Das Publikum dieser allwöchentlichen, ca. einstündigen Veranstaltung teilt sich ebenfalls in zwei Lager: hier die internationalen Friedensaktivisten, dort die auf dem Hügel in sicherer Entfernung postierte Siedlerjugend, jeden erfolgreichen Tränengasangriff höhnisch beklatschend. Das Theater ist alles andere als harmlos; im April 2009 erlag einer der Bewohner Bil’ins, durch eine Tränengaskartusche getroffen, seinen Verletzungen.