Ökonomisches Handeln, Gemeinschaftsleben und Bauen gehen meist Hand in Hand. Daher entwickeln sich parallel zu jeder Wirtschaftsform mit ihr korrelierende Sozialutopien und Architekturen. Das gilt für die globale Finanzökonomie mit ihren Bürotürmen, Geschäftszentren und Einfamilienhäusern genauso wie für die historischen Formen des Industriekapitalismus oder des Kommunismus. In der Nähe von Triest finden sich noch zwei dieser gebauten Stadtutopien. Auf ehemals sozialistischer Seite, im heute slowenischen Nova Gorica, zeugen die hohen Bauten und die Freiflächen zwischen ihnen von einer sozialistischen Abwandlung des Gartenstadtkonzepts von Ebenezer Howard (#89). Das von einer Gruppe von lokalen Ingenieuren entworfene brutalistische Rozzol Melara auf einem Hügel über Triest (#90) dagegen ist angelehnt an Le Corbusiers Idee der Unité d’habitation. Der französische Architekt wollte so der Wohnungsnot nach dem Zweiten Weltkrieg begegnen: Standardisierte Serienproduktion einer vertikal gestapelten Stadt, die neben Wohneinheiten auch überdachte Ladenstraßen, Werkstätten und Kulturräume beinhaltet und so einen umfassenden Lebensentwurf repräsentiert. Die meisten der Wohnungen in Rozzol Melara sind belegt, die kleinen Ladenlokale aber stehen ausnahmslos leer. Beim Wohnen scheinen die Menschen dem Willen des Architekten noch folgen zu wollen, beim Shoppen dagegen spielen offensichtlich andere Interessen eine Rolle.